Aus der EINSVIER: Beim Judo bleibt keiner zurück

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Junger, freundlicher Mann in grauem Pullover und grau-brauner Jacke steht auf einem betoniertem Weg, der zu einem Plattenbau führt.

Beim Judo bleibt keiner zurück

„Antreten!“ Wenn Mohammad Alhasbani zum Training ruft, stehen die zehn Viertklässler stramm wie Orgelpfeifen. Bei der Judo-Abteilung des SV Motor Babelsberg hat der syrische Geflüchtete eine nicht nur sportliche Heimat gefunden. Der so freundliche wie durchsetzungsstarke 25-Jährige betreut Kita- und Grundschulkinder aller sozialen Hintergründe, arbeitet hauptamtlich als Hallenwart und heimst in Wettkämpfen gleich reihenweise Siege ein.

Vor fünf Jahren hätte sich Alhasbani das noch nicht träumen lassen. Nach einer langen Odyssee gelangte er damals über den Landweg nach Deutschland und wurde in Potsdam zunächst im Flüchtlingsheim am Horstweg einquartiert. Im Internet forschte er nach einem sportlichen Ausgleich. „Seit ich sieben Jahre alt bin, ist Judo meine große Leidenschaft“, erzählt er. „Bei Google fand ich den SV Motor Babelsberg.“

Zwei Judo-Kämpfer im weißen Anzug auf gelb-blauen Trainingsmatten in einer Sporthalle.
Tatkräftige Unterstützung: Mohammad Alhasbani fühlt sich wohl beim SV Motor Babelsberg und hat mit Vereins-Veteran Holger Lehmann einen Mentor und Freund gefunden.

Am nur einen Kilometer von seinem Zimmer entfernten Vereinssitz trainierte der junge Syrer zunächst bei den Erwachsenen mit. Und fiel direkt positiv auf: „Mohammad zeigte schnell persönliches Engagement, war von Anfang an sehr freundlich und hilfsbereit“, erinnert sich Judo-Veteran Holger Lehmann. „Sportler verstehen sich untereinander immer ein bisschen schneller als andere. So lernte er im Training sehr zügig Deutsch, zusätzlich bekam er noch Unterricht bei der Frau eines Trainerkollegen.“ Schon ein Jahr nach seiner Ankunft konnte Alhasbani in der neuen Sprache die Prüfung für seinen Trainerschein ablegen. Derweil fand der Verein für den frisch gebackenen Potsdamer eine ProPotsdam-Wohnung am Schlaatz.

Nicht nur für Alhasbani ist der SV Motor Babelsberg und speziell die Judo-Abteilung weit mehr als ein reines Freizeitangebot. Über den Sport entstehen Freundschaften. Holger Lehmann machte hier schon 1980 seinen Trainerschein. In seiner Laufbahn hat er viele Familien über verschiedene Generationen hinweg betreut. „Judo ist nicht nur ein Kampfsport, sondern ein lebenslanger Prozess“, erklärt der heute 58Jährige. „Hier halten wir Werte wie Höflichkeit, Hilfsbereitschaft, Ehrlichkeit und Wertschätzung hoch. Wir können uns 25-mal auf die Matte legen, aber verbeugen uns immer respektvoll voreinander und bleiben fair.“

Im Training wird jedes Kind unterstützt, ganz gleich wie viel die Eltern verdienen, ob sie in Deutschland geboren wurden oder nicht. „Niemand wird ausgegrenzt“, betont Lehmann. Wer Vereinsbeitrag, Judo-Kleidung und Fahrten ins Trainingslager nicht so leicht stemmen kann, hat die Möglichkeit auf eine Hilfe aus dem Programm „Bildung und Teilhabe“ der Landeshauptstadt. Auch die ProPotsdam gibt einen Zuschuss zur integrativen Arbeit.

Der SV Motor Babelsberg fördert selbst nach Kräften die Vielfalt. Längst haben die Judoka Außenstellen in anderen Quartieren eingerichtet und noch Großes vor. „Wenn das neue Schlaatz-Forum in drei Jahren fertiggestellt ist, werden wir dort eine eigene 200 Quadratmeter große Judo-Halle einrichten und Kindersport anbieten“, kündigt Holger Lehmann an. Schon jetzt ist Mo (wie er bei seinen Freunden heißt) in seinem Wohnquartier unterwegs, am Schlaatz bringt er Kindern der Kita „Nuthespatzen“ und der Weidenhof-Grundschule die Grundzüge des Sports bei. Seinen Schützlingen will er dabei ein Vorbild sein: „Ich versuche immer mein Bestes zu geben. Alle sollen stark werden, vielleicht erfolgreich, aber vor allem sollen sie Spaß haben.“

Alle sollen stark werden, vielleicht erfolgreich, aber vor allem sollen sie Spaß haben.

Zwei Judo-Trainer in weißen Anzügen mit schwarzem Gürtel in einer Trainingshalle vor gelb-blauen Sportmatten.
Mohammad Alhasbani, Judo-Trainer und Wettkampfsportler

Bei Worten lässt es Alhasbani nicht bewenden, regelmäßig misst er sich in Wettkämpfen. So tritt er in dieser Saison in der 2. Bundesliga an. Im verwandten Kampfsport Sumo holte er Anfang September bei seinem ersten Europacup in Budapest für die deutsche Nationalmannschaft die Goldmedaille in seiner Gewichtsklasse bis 70 Kilo. Auf der Facebook-Seite halten die Judoka jeden seiner Erfolge im Bild fest. Für die soziale Verbundenheit ist Mohammad Alhasbani dankbar. „Ich bin sehr froh, dass ich direkt nach meiner Ankunft so einen netten Verein gefunden habe.“ Hier fühlt er sich wohl, hier will er bleiben, bekundet er. „Der SV Motor Babelsberg ist alles, was ich in Deutschland habe.“

 

TEXT TORSTEN BLESS