Aus der EINSVIER: Biber sind überall

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Burghard Sell steht im Grünen am Ufer der Nuthe

"Biber sind überall"

Burghard Sell, Schlaatzer der ersten Stunde, kümmert sich engagiert um seine tierischen Nachbarn. Ganz besonders angetan hat es ihm ein anderer „Urschlaatzer“: der Biber. Als Biberberater für ganz Potsdam kennt Sell die Flora und Fauna rund um die Nuthe wie seine Westentasche. EINSVIER-Redakteurin Anja Rütenik ging mit ihm vor Ort auf eine spannende Spurensuche.

Als ich an diesem sonnigen Vormittag zu unserem Treffpunkt am Erlebnispfad an der Nuthe komme, klettert Burghard Sell (64) gerade die Uferböschung hinunter. Er prüft die Pflanzen, den Boden, das Wasser: Genau hier verläuft die Reviergrenze einer Biberfamilie. Burghard Sell ist ein Experte: der Naturschützer kümmert sich als ehrenamtlicher Biberberater um die Reviere von Bibern in der Landeshauptstadt und drumherum. Schon als kleiner Junge faszinierte Sell die Natur. „Ich bin in einem kleinen Dorf aufgewachsen. Als Steppke war für mich schon der Weg zum Plumpsklo ein kleines Abenteuer mit den Ameisen und all dem anderen Getier zwischen den Pflastersteinen. Manchmal habe ich dabei vergessen, was ich eigentlich vorhatte“, lacht er. Später wurde Burghard Sell Polizist – und blieb nach dem gesundheitsbedingten Ende seiner Dienstzeit weiter „Ermittler“. „Wer hätte gedacht, dass ich mal Wasservögel zählen würde? Aber aufs Altenteil wollte ich mich eben auf keinen Fall begeben. Ich bin schon immer gern durch die Wildnis gestromert.“

Naturschutz aus Leidenschaft

Burghard Sells Engagement beim Naturschutzbund NABU begann mit einem einfachen Anruf. „Ich fragte, ob der Kreisverband eine Aufgabe für mich hätte. Und zu tun gibt es mehr als genug – damals wie heute. Vielleicht hätte ich meine Frage doch vorsichtiger formulieren sollen“, scherzt er. Bis heute legte der Schlaatzer im Rahmen von Vogelzählungen unzählige Kilometer zu Fuß zurück, half beim Mähen der Wiesen im Springbruch, initiierte und pflegte Krötenschutzzäune. Einer dieser Zäune, der schon Tausenden Fröschen und Kröten das Leben gerettet hat, begegnet den Spaziergängern an der Templiner Straße. Viel Engagement für viele Arten – doch dann kamen die Nager, die bis heute unverkennbare Spuren in Burghard Sells Leben hinterlassen.

ein Biber schwimmt im Schutz eines überhängenden Baumes im Wasser
Biber am Schlaatz in der Nuthe in Potsdam

„2006 habe ich den allerersten Biber am Aradosee entdeckt – und wenige Monate später einen Biberbau an der Nuthe. Ich hatte damals gar keine Ahnung von Bibern und wollte sie einfach nur beobachten“, verrät der Schlaatzer. Und so begab er sich mit seiner Frau Petra auf die Spur der Biber. „Damals sind wir den Ornithologen sozusagen untreu geworden“, erzählt das Paar. Tage und Nächte beobachteten sie die pelzigen Baukünstler. Nach einer speziellen Schulung wurde Burghard Sell schließlich als offizieller Biberberater für das sogenannte „Bibermonitoring“ in Potsdam verantwortlich. So dokumentiert er die Bestände des Nagers und meldet sie an die Untere Naturschutzbehörde. Inzwischen weiß er: „Die Biber sind hier überall.“ Allein im Stadtbereich der Nuthe zählt der Biberberater vier Reviere. Von den Menschen lassen sich die Nager kaum stören. „Stadtbiber sind Unruhe gewöhnt“, so Sell.

Ja, auch ein Biberbeauftragter kennt nagende Probleme. Gern würde ich all mein Wissen an eine motivierte Nachfolge weitergeben.

Porträtbild Burghard Sell im grünen Schlaatz
Burghard Sell, Biberbeauftragter

Engagiert für die Natur und das Quartier

Das Wohlergehen der Biber ist Familiensache: Petra Sell ist als Naturschutzhelferin und Kassenprüferin ebenfalls beim NABU aktiv. „Und nicht zuletzt bin ich die Sekretärin des Biberberaters“, schmunzelt sie. Zusätzlich leitet sie den Mieterclub des Hauses Schilfhof 20. Die Sells gehören zu der Handvoll Mieter im Haus, die 1983 als erste dort einzogen. Sie fühlen sich wohl in ihrer Wohnung im 13. Stock, aus der sie den Sonnenaufgang und -untergang genießen können. Zudem ist auch in der Höhe einiges los: Mauersegler kommen vorbei, auch Raubvögel konnte Burghard Sell schon aus nächster Nähe beobachten. In den Nistkästen an den umliegenden Häusern brüten Sperlinge und andere Vögel. Würde es nach Burghard Sell gehen, gäbe es noch viel mehr Nistkästen in seinem Wohngebiet. Was er am Schlaatz am meisten liebt: „Egal, wo man ist – in drei, vier Minuten ist man im Grünen.“

Burghard Sells Gesundheit lässt inzwischen leider nicht mehr alle Naturschutzaktivitäten zu. Was er sich für die Zukunft wünscht? „Ja, auch ein Biberbeauftragter kennt nagende Probleme. Gern würde ich all mein Wissen an eine motivierte Nachfolge weitergeben.“ Bei ihm oder ihr soll dann in Zukunft das Telefon klingeln, wenn ein Biber in Not ist oder sich Anwohner an seiner Vorliebe fürs Holz stören. Die große Leidenschaft der Sells wird die Natur trotzdem bleiben – ein Leben lang. Denn Biber beobachtet das Paar mit ungebrochen großer Leidenschaft. „Was mit dem Fahrrad erreichbar ist, geht immer noch.“ Und so kann man beide auch weiter im Naturparadies Schlaatz treffen und auf die Biber ansprechen. Ein großes Glück für Mensch und Tier!

 

TEXT ANJA RÜTENIK

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